Pflanzenfossilien

Das Vorkommen pflanzlicher Fossilien in der Kreide von Westfalen

Dr. Frank A. Wittler, Soderstr. 115, 64287 Darmstadt, fwittler@aol.com

Die Kreidegesteine des Münsterländer Beckens in Westfalen sind meist arm an pflanzlichen Fossilien. Sieht man von kleinen kohligen Resten bis zu Größen von etwa einem Quadratzentimeter Fläche einmal ab, gehören derartige Funde zu großen Raritäten. Ausnahmen bilden mehrere Fundpunkte und Horizonte, die meist in Südwestfalen gelegen sind und nahe des ehemaligen Küstenrandes der Oberkreide liegen. Hier lassen sich in Gesteinen des Obersanton und mittleren Campan bei mehreren Besuchen auch bestimmbare Blätter und Nadelholztriebe sammeln. Die weiteren kurz beschriebenen Fundpunkte sind temporäre Aufschlüsse gewesen (Haus- und Tunnelbauten), die nicht mehr zugänglich sind. Jedoch sind sicher bei Anschnitten gleicher Schichten in der Nähe der beschriebenen Fundorte derartige Fossilien zu erwarten.

Unterkreide

Aus Gebieten (Teutoburger Wald, Gebiet um Ochtrup, Letmathe), die das Münsterländer Becken umrahmen, liegen aus der Literatur mehrere Hinweise auf Landpflanzenreste vor. Diese werden hier kurz angegeben, um das Bild am Wechsel Unter- zu Oberkreide mit Hintergrundinformationen etwas zu erweitern. Von der Lokalität Ochtrup bei Rheine beschreiben LEHMANN (1986) und WITTLER & LEGANT (im Druck) kurze Wedelstücke. Stratigraphisch stehen die Fundstücke im Oberapt, Zone des Parahoplites nutfeldiense. Vom Fundpunkt Letmathe liegen umfangreiche Untersuchungen vor, die sich auf Sporen und Pollen und leider nur untergeordnet Makroreste beziehen.

Cenoman

Die stratigraphisch tiefsten Pflanzenfunde, welche sich als bestimmbar erwiesen, wurden dem Mittelcenoman bei Soest entnommen. Ein derartiges Fundstück bildet SAUERLAND (1984) ab. Jedoch ist eine Zuordung zur Sammelgattung Geinitzia sicher haltbar. Weitere bestimmbare Fundstücke liegen nicht vor, sind ebenfalls auch nicht publiziert worden. Zwar sind Holzreste, die gelegentlich sogar die Größe von Ästen oder kleineren Stammstücken erreichen können, nicht selten. Jedoch ist die substanzielle Erhaltung zu schlecht für eine sichere Zuordnung.

Turon

dem Turon liegen von mehreren Lokalitäten pflanzliche, bestimmbare Reste vor. Ältestes Fundstück ist ein bereits seitens des Autoren abgebildetes Blattstück aus dem mittleren Unterturon (WITTLER, 1995). (Zone der Inoceramus labiatus) Aus dem unteren Bochumer Grünsand von Dortmund wurde ein Ast mit mehreren Verzweigungen von Geinitzia publiziert, Angiospermenreste liegen nicht vor. (WITTLER (2001)) Das mittelturonen Karbonantmaximum lieferte eine reiche Florenassozialtion, die ausschließlich aus Angiospermenresten besteht. Sie umfasst die Taxa Laurophyllum, Myricaphyllum, Proteoides sowie unbestimmte Formen (siehe WITTLER (1995)) Aus dem höheren Mittelturon liegen nur wenige Reste von Geinitzia vor. Desweiteren beschreiben WITTLER & ROTH (2003) mehrere Blätter von Proterophyllum lanceolatum aus dem Mittelturon von Unna, etwa 20 km östlich von Dortmund. Das Oberturon lieferte von den Fundpunkten Soest, Werl und Dortmund eine individuenarme, aber diverse Flora. Von Soest entstammt ein noch unpubliziertes Blatt von Myricaphyllum. Von einer weiteren Fundstelle bei Werl (Soester Grünsand) liegen Angiospermenreste vor, die nicht näher bestimmt werden konnten. Von Dortmund liegen nur Kurztriebe von Geinitzia vor aus dem höchsten Oberturon (WITTLER (1995)).

Zwei Ansichten eine Knolle, die aussen mit Blättern von Dewalquea

Das Fundstück entstammt dem Obersanton, Zone der Inoceramus pinniformis, von Gelsenkirchen - Buer, Autobahnbaustelle BAB 2 in Höhe der Ausfahrt Gelsenkirchen - Erle.
In den sandingen Schichten des Obersanton sind konkretionsartige Verfestigungen von kugeliger bis kartoffelförmiger Form sehr häufig. Diese bis zu 80 cm Durchmesser erreichenden Knollen beinhalten oftmals eine große Zahl von pflanzlichen Resten. Jedoch sind die meisten Reste schwierig zu bestimmen (Holzreste) oder Nadeln von Gymnospermen.
Das häufigste Angiospermen Fossil ist das langgestreckte Blatt von ?Dewalquea sp., das bis über 20 cm Länge erreichen kann bei einer Breite von maximal 4 cm. Fragmente lassen auf größere Blätter schließen, die evtl. das doppelte Maß erreichen.
Meist sind die Einzelblätter im Innern der Konkretion zu finden und dort stark verfaltet oder unvollständig.
Das hier abgebildete Exemplar ist ein Zweigstück mit 3 fast vollständigen Blättern, die noch in hervorragender Weise die Primär und Tertiärnervatur zeigen.
Der Durchmesser der Konkretion beträgt etwa 19 cm, die der einzelnen (erhaltenen) Blattlängen zwischen 11 und 14 cm.

Coniac

Aus dem Mittelconiac liegt bislang nur ein Kurztrieb von Geinitzia vor (WITTLER (1995)). Mehrere Fundstellen lieferten in den letzten Jahren weitere Nachweise von Nadelhölzern, die noch nicht näher bearbeitet sind. Für Sammler hier erwähnenswert ist der Steinbruch in Erwitte bei Soest, der neben zahlreichen Seeigeln (Micraster) auch recht häufig Kurztriebe von Geinitzia - Artigen beinhaltet, die sich lagenweise gehäuft finden.

Santon

Das Obersanton liefert in der sog. Knauernfazies eine individuenreiche und mäßig artenreiche Flora. Sie umfasst 6 – 7 Taxa der Angiospermeae sowie eine Gymnosperme. Material aus dem Obersanton liegt vor von den Lokaltitäten Gelsenkirchen, Gladbeck, Haltern und Oer - Erkenschwick. Einige Phylum sind bereits in der Literatur beschrieben und abgebildet (siehe KAEVER, OEKENTORP & SIEGFRIED (1974); WITTLER & ROTH (2001; 2002)). Fundpunkte sind meist temporäre Aufschlüsse, die zwischen Gelsenkirchen und Haltern im Gebiet der Haard liegen. Hier ist besonders auf verhärtete, konkretionsartige Knollen zu achten, die im Innern recht häufig Pflanzenreste enthalten. Die häufigst vorkommende Form ist ein bis 20 cm langes, glattrandiges Blatt, das einem Loorbeergewächs ähnelt. Nicht selten sind zudem Reste der auch in der sächsischen Kreide häufigen Crednaria sowie Nadelholzgewächse.

Grauer Kalkmergel mit mehreren Wedelstücken von Geinitzia.

Das Fundstück entstammt dem obersten Turon, Bereich des Micraster - Event, von Erwitte bei Soest. Zu sehen sind mehrere maximal 9 cm lange Wedelteile oder Kurztriebe der mit den heutigen Mammutbäumen weitläufig verwandten Geinitzia. Bei dieser Gymnospermen - Form handelt es sich um den häufigsten Vertreter pflanzlicher Fossilien in der Oberkreide Westfalens.
Sicher gehören die verschiedenen Funde aus Cenoman, Turon oder auch dem Santon und Campan zu mehreren Gattungen oder Arten, jedoch ist das Material meist nur gut genug erhalten für eine Aufsichts - Studie. D.h., Detailuntersuchungen (Kutikularanalyse oder Nervaturen etc.) sind nicht möglich.
Im Bereich des Micraster - Event des Steinbruches von Erwitte sind derartige Funde häufiger zu machen, jedoch sind sie nur auf einen wenige Zentimeter mächtigen Horizont beschränkt. In den auf oder unterliegenden Gesteinsschichten sind sie relativ selten.

Campan

Erste Erwähnungen von pflanzlichen Resten in den campanzeitlichen Ablagerungen Westfalens finden sich aus den Ablagerungen der Baumberge in den Publikationen von HOSIUS (1860, 1869a,b) und HOSIUS & v.d. MARCK (1869). Bis 1995 finden sich keine weiteren Abbildungen, von Erwähnungen in Fossilisten ohne nähere Beschreibung einmal abgesehen. Seither sind umfangreiche Ergänzungen geschehen (WITTLER (1995); WITTLER & LEGANT (2002); WITTLER & ROTH (2003); WITTLER, ROTH & SCHEER (2003)). Häufigster Pflanzenrest in den derartigen Gesteinen sind Gymnospermentriebe, die z.T. bis über 20 cm Länge erreichen können. Nicht selten sind Holzreste, hier sind besonders im oberen Untercampan gute Funde zu erwarten. Vollständige und bestimmbare Blätter gehören zu den seltensten Fundstücken im Campan des Coesfelder Raumes, jedoch lässt sich hier mit Glück auch bei einem eintägigen Besuch einer Fundstelle ein Fundstück finden. Die angehängte Literatur gibt einen Überblick über die Fundsituationen der erwähnten Aufschlüsse. Leider ist vieles auf temporäre Baumaßnahmen begründet, so daß vor einer weiteren Anreise es ratsam erscheint, sich über die aktuelle Aufschlusslage zu informieren.

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WITTLER, F. A. & ROTH, R.: Das Campan von Coesfeld.- Die fossile Fauna und Flora Nordwestdeutschlands I: ca. 160 S.; geht hoffentlich im Sommer 2003 in Druck.

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WITTLER, F. A. & ROTH, R.: Fazies und Fauna der Oberkreidegesteine im Dortmunder Stadtgebiet. I: Temporäre Aufschlüsse im Turon und Unterconiac zwischen 1988 und 2001. Stratigraphie, Fossilführung.- Dortm. Beitr. Landeskde., naturwiss. Mitt. 35, erscheint im Herbst 2003

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